Beinahe zwei Jahre lang hat uns Corona im Griff. Mal sah die Lage besser aus, wie im Sommer, mal schlechter. Mit den Impfungen kam das Versprechen: Wenn wir erst die Herdenimmunität erreicht haben, liegt die Pandemie hinter uns! Doch daraus wurde nichts. Mittlerweile sind je nach Bundesland etwa 60% bis 80% in Deutschland geimpft. Trotzdem schießen die Inzidenzzahlen in die Höhe. Allein in Sachsen und Thüringen wurde bereits die 1000er Marke geknackt. Wie sollen wir das nur stoppen? Die angeblich beste Lösung: Wir brauchen mehr Geimpfte. Daher wird nun die Debatte um eine Impfpflicht geführt. Aber ist das überhaupt rechtens?
Impfpflicht ist kein neues Phänomen
Geimpft sein müssen bereits Soldaten. Sie müssen sich nach Gesetz gegen übertragbare Krankheiten impfen lassen. Auch eine Impfpflicht gegen Masern wurde 2020 in Kitas/Schulen eingeführt, obwohl eine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz noch geklärt wird.
Rechtfertigt dies die Einführung einer Impfpflicht des Corona-Impfstoffs für alle?
Was die Wissenschaft sagt
Viele WissenschaftlerInnen sehen die Impfpflicht als eine Lösung an, die endlich alles stoppen könnte. Impfungen sollen das Ansteckungsrisiko verringern und schwere Verläufe verhindern. Es sind doch bereits viele Leute geimpft – müssten wir nicht langsam mal die Herdenimmunität erreicht haben? Brauchen wir eine Impfpflicht überhaupt noch?
Noch in der ersten Hälfte von 2020 hieß es, dass die Herdenimmunität bei 60-70% Geimpften erreicht wäre. Inzwischen wurde dieser Wert drastisch nach oben korrigiert. In der Gesamtbevölkerung wäre nun ein Prozentsatz von 93,3% nötig.
In der Wissenschaft gibt es weitere Korrekturen. So war bislang nicht klar, dass mittlerweile 3 oder mehr Impfungen nötig sind, um „geimpft“ zu bleiben. Geimpfte mit dem Astrazeneca-Impfstoff verlieren die Impfwirksamkeit von zwei Impfungen bereits nach einem halben Jahr. Das ist nichts, was wir vorher schon wussten.
Außerdem ist nicht ganz klar, wie viele Menschen nun wirklich geimpft sind. Das RKI verlässt sich bei den Zahlen auf Umfragen und schätzte diese Zahl auf Grundlage der gelieferten Impfstoffe. Die Datenweitergabe hat hier also nicht richtig funktioniert. Wie viele Leute sind denn nun schon geimpft? Wissen wir das überhaupt? Und trotzdem wird eine Impfpflicht gefordert.
Wie fühlen sich nun Menschen damit, die nur immer wieder diese neuen Korrekturen hören? Löst das nicht Unsicherheit in der Bevölkerung aus – und zum Teil auch Misstrauen? Eigentlich sind Neuigkeiten und Korrekturen auch vonseiten der Wissenschaft in Ordnung, nur darf nicht ignoriert werden, wie diese uns beeinflussen und uns entweder für oder gegen Impfungen stimmen.
Ist die Impfpflicht rechtlich ok?
Obwohl die Impfpflicht von vielen befürwortet wird, muss sie auch verfassungsrechtlich sein. Tatsächlich gibt es aber einige Gesetze, die bei einer allgemeinen Impfpflicht verletzt wären. So zum Beispiel die Würde des Menschen, die bekanntermaßen unantastbar ist. Oder aber die Unversehrtheit des eigenen Körpers. Wären diese nicht durch eine Impfpflicht in Gefahr? Zudem könnten auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie die Berufsfreiheit angegriffen sein.
Nötig wäre nun etwas, das all dem übergeordnet wäre. Eingriffe in diese Rechte sind nur unter hohen Voraussetzungen zulässig. Sie müssen rechtlich gesehen geeignet, erfolgreich und angemessen sein. Es müsste also erst einmal geprüft werden, ob diese Voraussetzungen erfüllt werden.
Ist die Impfpflicht umsetzbar?
Die Impfpflicht sollte nur dann eingeführt werden, wenn auch wirklich alle anderen Schutzmaßnahmen eingeleitet wurden. Die Frage ist nur, ob die Impfpflicht, wenn sie zugelassen wird, auch umsetzbar ist. Selbst wenn wir annehmen, dass nur 15% der Bevölkerung ungeimpft wären, wären dies immer noch über 12 Millionen Menschen, die geimpft werden müssten. Dabei wurde noch vor kurzem über eine Impfstoffknappheit geklagt. Womit sollen diese vielen Leute also geimpft werden, wenn momentan schon nicht genug Impfstoff zur Verfügung steht?
Der menschliche Faktor der Impfpflicht
Wenn eine Impfpflicht wirklich bestände, so würde das Narben hinterlassen. Es gibt bereits eine annähernde Spaltung der Gesellschaft. Meinungen und Gefühle sind extrem geworden. Alle Menschen, darunter auch Kinder, RentnerInnen, etc. müssten zum Teil gewaltsam und von der Polizei zu Impfstationen gebracht werden. Kann sich das jemand vorstellen?
Menschen sind aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft. Möglicherweise haben sie das Vertrauen in die Politik verloren, vielleicht fühlen sie sich, als würden ihre Ängste nicht ernst genommen werden. Ständig ändert sich etwas – auch im wissenschaftlichen Bereich der Fakten. Viele blicken nicht mehr durch und sind verunsichert. Was fehlen könnte, sind Aufklärung und Stabilität.
Wenn es also wirklich um den Menschen geht, sollte die Impfpflicht nicht ohne andere Anstrengungen eingeführt werden.
Dass sie dennoch kommt, ist trotzdem nicht auszuschließen.
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